Hunde sind in ihrem äußeren Erscheinungsbild (ihrem sogenannten Phänotyp) nicht nur in der Form, sondern insbesondere auch in der Farbe unheimlich vielgestaltig – „schuld“ daran sind eine Reihe von Genen, die den Farbcode für jeden Hund programmieren. Viele dieser Gene sind mittlerweile gut erforscht und so weiß man z.B. sicher welche Gene für die Grundfarbe (E-, B- und A-Locus), für das Scheckungsmuster und die Weißverteilung (S-Lokus), für gewisse Modifizierungen und Aufhellungen (D-Locus) oder z.B. für Masken, Bänderungen oder Ticking verantwortlich sind. Eine Kombination aus diesen Genen ergibt eine unheimlich große Palette an potentiellen Möglichkeiten unterschiedlicher Phänotypen.
Wie war das noch gleich mit dem merle?
Ein wichtiger Locus – unter anderem – im Hütehundesektor ist zudem der M-Locus. Der M-Locus ist zuständig für die beliebte
graue Sprenkelung und zerrissene Aufhellung pigmentierter Bereiche – überall bestens bekannt als „merle“. Die Bezeichnung M-Locus ist so gesehen auch nicht ganz richtig, denn der Merle-Faktor
beeinflusst das sogenannte SILVER-Gen. Es sorgt dafür, dass Eumelanin (welches eigentlich eine schwarze oder braune Pigmentierung verursacht) aufgehellt wird.
Grundfarbe schwarz, keine Aufhellung von Eumelanin, m/m
Grundfarbe schwarz, Aufhellung durch das Merlegen M/m
Der Unterschied der beiden gezeigten Hunde liegt lediglich darin, dass einer durch Modifizierungen des SILVER-Gens unregelmäßige Aufhellungen der mit Eumelanin pigmentierten Bereiche aufweist (Hündin rechts), während der andere (Rüde links) keinerlei Veränderungen der Grundfarbe zeigt.
Hier wird schnell offensichtlich, welch massiven Effekt der Merlefaktor auf den Phänotyp haben kann.
Neben dem Pigment Eumelanin existiert auch noch das Pigment Phäomelanin. Phäomelanin sorgt für eine goldene/cremefarbene/braune Pigmentierung. Der Merlefaktor nimmt in der Regel keinen Einfluss auf Phäomelanin. Aus dem Grund zeigen Hunde mit Brand normalerweise keine Veränderungen oder Aufhellungen lohfarbener Bereiche, wenn sie durch das „angeschaltete Merlegen“ die typische Merlezeichung aufweisen.
Grundfarbe schwarz mit Brand, keine Aufhellung, m/m
Grundfarbe schwarz mit Brand, Aufhellung durch merle, M/m
Hunde mit lohfarbenen Abzeichen, bzw. „Brand“ haben abgegrenzte Bereiche, die hauptsächlich mit Phäomelanin pigmentiert sind. Hier verändert der Merlefaktor in der Regel nichts, da es nur einen Einfluss auf Eumelanin hat.
Kurze Rekapitulation zur Vererbungslehre
Wenn wir von einem Gen sprechen, das z.B. Farben codiert und damit direkten Einfluss auf den Phänotyp nimmt, sprechen wir
in der Regel erstmal von einem „Genotyp„. Also einem Abschnitt genetischer Information für eine bestimmte Merkmalsausprägung. Diese
Information liegt in Form eines „Allels“ vor. Das Allel für ein Gen gibt es immer doppelt! Eins erhält man von der Mutter, eins vom
Vater. Somit haben wir einen „Doppelsatz“ an Information für das gleiche Gen. Allele sind also Zustandsformen eines Gens und entscheiden darüber, ob z.B. die Blütenfarbe einer Blume rot oder weiß
ist. Mann kann zwei absolut identische Allele besitzen (das nennt man dann homozygot=reinerbig) oder zwei unterschiedliche
Allele besitzen (das nennt man dann heterozygot=mischerbig).
Liegen zwei unterschiedliche Allele für ein Gen vor (also heterozygot) konkurrieren diese beiden Informationen miteinander. Hier entscheidet nun die „Dominanz“ eines Allels über die Merkmalsausprägung. Man kann sich also merken, dass bestimmte Allele stärker sind als andere und sich im Phänotyp stets durchsetzen, während schwächere Allele (sogenannte „rezessive“ Allele) nur dann eine Chance haben sich zu behaupten, wenn dominante Allele abwesend sind. Rezessive Allele müssen also reinerbig/homozygot vorliegen, damit sie ihre Eigenschaften im Phänotyp zeigen können, während dominante Allele sowohl mischerbig/heterozygot oder auch reinerbig vorliegen können.
In der Schreibweise werden dominante Allele GROß geschrieben und rezessive klein. Da wir immer ZWEI Allele für ein Gen haben, ergibt sich daraus immer eine unterschiedliche Kombination aus Buchstaben. Z.B. M/M (zwei dominante Allele, reinerbig – im Phänotyp merle), M/m (ein dominantes Allel und ein rezessives, mischerbig, im Phänotyp merle) und m/m (zwei rezessive Allele, im Phänotyp KEIN merle).
Gesundheitliche Risiken bei
„Doublemerle“
Den meisten Rassekennern sollte es geläufig sein, dass Merle nicht nur einen Einfluss auf die Farbe, sondern auch auf die Sinnesorgane haben kann (dies äußert sich z.B. in Fehlbildungen der Augen
und Ohren, was zu Blindheit und/oder Taubheit führen kann). Aus einer „lustigen“ Farbe, kann also schnell sogar eine richtige Einschränkung für den betroffenen Hund werden. Dieses Risiko für
Veränderungen an Ohren und Augen ist deutlich erhöht, wenn Merle in HOMOZYGOTIE vorliegt – also reinerbig ist. Das bedeutet, wenn ein Hund ZWEI dominante Allele für das Merlegen trägt, dann nennt
man dies „doublemerle“ und der Effekt, den dieses doppelte Allel verursacht, kann fatal sein (muss es aber nicht, laut älteren Studien sind Doublemerles zu 10% einseitig und zu 15% doppelseitig
taub). „Doublemerles“ fallen durch eine massive Aufhellung auf, die sogar zu fast reinweißen Hunden führt, häufig zeigen sie komplett oder teilweise unpigmentierte Lider, Lefzen und Nasen.
In Deutschland ist eine Verpaarung, in der sogenannte Doublemerles fallen können daher aus tierschutzwidrigen Gründen nicht erlaubt.
Dies bedeutet in der Praxis, dass ein Hund mit einem dominanten Allel für Merle nur mit einem Hund ohne dominantes Merle-Allel verpaart werden darf. Die Verpaarung zweier heterozygoter Merlehunde ist in seriösen Verbänden strikt untersagt.
m/m x M/m = (m/m)(M/m) erlaubt
M/m x M/m = (M/M), (M/m),
(m/m) nicht erlaubt
In anderen Ländern wird die Verpaarung von Merlehunden untereinander weniger kritisch gesehen und Doublemerles in Zuchtprgorammen sogar gezielt
eingesetzt. Ein Doublemerle vererbt mit einem solidfarbenen Partner 100% ein Merle-Allel an seinen Nachwuchs!
Wenn merle im Phänotyp nicht auftaucht, Probleme mit Zobelmerle + Phantommerle
Wie bereits weiter oben erklärt, verändert das Merlegen die Pigmentierung von Eumelanin. Hunde mit einem geringen Anteil von Eumelanin und einem höheren Anteil von Phäomelanin im Fellkleid, können daher nur sehr dezente oder fast gar keine typische Merlemusterung im Phänotyp zeigen (manchmal erkennt man sie an der blauen Augenfarbe). Bei manchen kann man ggf. im Welpenalter, aber nicht mehr im erwachsenen Alter deutliche Anzeichen für das Merlegen erkennen. Gerade bei langhaarigen Hunden kann das Merlemuster „veschwinden“. Dies passiert z.B. häufig bei sogenannten „Zobelmerles„.
Diese Hunde sind heterozygot für das dominante Merle-Allel, zeigen aber nur eine geringe Ausprägung oder gar keine, da ihr Eumelaninanteil im Fell gering ist. Diese Hunde sind in der Lage das Merle-Allel zu vererben, womit das Risiko einer unwissentlichen M/m x M/m Verpaarung steigt. Aus diesem Grund ist es im VDH verboten zobelfarbene Hunde mit Merlehunden zu verpaaren. In der Dissidenz und der papierlosen Zucht jedoch sieht man desöfteren sogenannte Zobelmerles. Zobelmerles sind nicht krankheitsgefährdeter als „normale“ Merles! Auch wenn sie vom VDH verboten sind, sind sie genetisch absolut gleichwertig zu betrachten wie Tricos oder schwarzweiße Shelties mit Merlefaktor! Problematisch ist stets die DOPPLUNG ZWEIER MERLEALLELE – heterozygote Merlehunde dagegen – egal ob mit schwarzer, brauner oder roter Grundfarbe, sind in der Regel unproblematisch.
Ebenso bekannt ist, das seltene Vorkommen von „verstecktem Merle“ – dies bedeutet, dass Hunde ein dominantes Merle-Gen tragen (also
nach Definition auch im Phänotyp merle ausprägen müssen), aber ihre Veränderung trotz hohem Eumelaninteil (also Hunde, die schwarz pigmentieren!) nur so geringfügig an winzigen/vereinzelten
Stellen im Phänotyp zeigen, dass man es leicht übersehen kann.
BEACHTE: Der frühere, umgangssprachliche Begriff für dieses Phänomen war „Cryptic Merle“ – dies ist jedoch irreführend und nicht mehr zeitgemäß und sollte
in diesem Zusammenhang nicht mehr verwendet werden. „Cryptic Merle“ ist nach neuer Definition eins von mehreren Merle-Allelen, das zu keinerlei Ausprägung im Phänotyp führt. Anders als
„verstecktes Merle“, das synonym mit den Begriffen „Minimal
Merle“ oder „Phantom
Merle“ verwendet werden kann. Es wird nur an versteckten Stellen im Haarkleid sichtbar, verhält sich genetisch aber „vollwertig“ wie Merle und wird auch so vererbt. Der
Unterschied wird weiter unten im Artikel nochmals genauer erklärt.
Neue Erkenntnisse zum M-Locus, SINE-Insertion || Viele Allele, viele Möglichkeiten
Alles was oben im Einleitungstext geschrieben steht, sind Dinge, die den meisten Züchtern und Haltern von Rassen mit Merleeinfluss geläufig sind. Was ist jetzt also neu? Ging man früher davon aus, dass Hunde eben „merle“ sind, oder „eben nicht“, zeigen aktuelle Forschungen ein sehr viel komplexeres und größeres Spektrum an Variationen der Merle-Allele. Eine sehr aktuelle Studie und ein sehr interessantes Paper dazu ist erst kürzlich veröffentlicht worden: Merle phenotypes in dogs – SILV SINE insertions from Mc to Mh
Ich möchte versuchen die Inhalte der aktuellen Forschung einmal näher zu erläutern – denn das Potential, das dieses neue Wissen mit sich bringt ist nicht nur hochspannend, sondern auch züchterisch von großem Wert! Und zwar nicht nur bezogen auf die Farbzucht, sondern auch im Hinblick auf ein besseres Verständnis bzgl. gesundheitlicher Risiken, die an das Merle-Gen gekoppelt sind. Denn was wir „früher“ für fix gehalten haben, unterliegt dank neuer Studien einem völlig neuem Blickwinkel!
Über die Studie
In der Studie wurden 181 Hunde bezüglich ihrer genetischen und ihrer phänotypischen Erscheinung bzgl. des Merlegens untersucht. Daran teilgenommen haben 14 unterschiedliche Rassen (Louisiana
Catahoula Dog: 73, Australian Shepherd: 40, Australian Koolie 23; Border Collie: 18, Dackel: 9, Miniature American Shepherd: 2; Miniature Australian Shepherd: 2, PyrShep: 1, Mudi: 2,
LanghaarCollie: 3; Sheltie: 2, Labradoodle: 1, Französische Bulldogge: 2, Welsh Sheepdog: 3).
Ziel war es eine Korrelation zwischen Phänotyp und Genotyp zu finden. Bereits bekannt ist, dass das sogenannte SILV-Gen für das Merlemuster verantwortlich ist. Eingebaut in dieses Gen ist die sogenannte „SINE-Insertion“ (short interpersed element). Dabei handelt es sich um eingeschleuste „virale“ DNA, die am Gen selbst Veränderungen vornehmen kann. Sogenannte „SINES“ sind nichts Ungewöhnliches und kommen sowohl bei Tieren, als auch bei Menschen vor und sind an einer Vielzahl von Genausprägungen beteiligt. Im Falle der Merle-Mutation hindert die SINE-Insertion die Zellen an der Ausbildung von normalen Pigment (Eumelanin). SINE-Elemente bestehen aus einem „Körper“ und einem „Schwanz“ – dem sogenannten „Poly-A-Schwanz„. Dieser „Schwanz“ besteht aus einer ganzen Reihe von Basenpaaren und kann unterschiedlich lang sein. Diese Länge wird daher mit Basenpaaren angegeben. In früheren Studien wurde diese Länge mit ca. 253 bp (Basenpaaren) beschrieben.
Bekannt waren bis dato neben dem Wildtyp-Allel(„m“ -> keine Ausprägung von merle/kein merle) noch Mc (cryptic Merle) und M (klassisches Merle). Das Wildtyp-Allel ist genetisch komplett anders aufgebaut als die Merle-Modifikationen! Es zeigt keine beschriebene SINE-Insertion! Es war bereits möglich durch Detektion der SINE-Insertion diese Allele genetisch zu testen. Trotzdem hat es in der Vergangenheit immer wieder unerwartete Ergebnisse in Würfen gegeben, die sich allein durch die beschriebenen Phäno- und Genotypen schwer erklären ließen.
In der vorliegenden Studie konnte nun gezeigt werden, dass neben m, Mc und M noch weitere Allele für Merle vorliegen. Entscheidend für die Unterscheidung dieser Allele ist die Länge des Poly-A-Schwanzes der beschriebenen SINE-Insertion am SILV-Gen am M-Locus! Je länger der Schwanz ist, also je mehr Basenpaare dieser Schwanz hat, umso größer ist der Effekt auf die Pigmentierung und umso mehr Aufhellung ist zu erwarten (grob gesagt).
Insgesamt unterscheidet man also folgende Merle-Allele: m, Mc, Mc+, Ma, Ma+, M, Mh
m = kein merle
Mc = Cryptic/kryptisches Merle – 200-230
bp
Mc+ = Cryptic/kryptisches Merle+ – 231 – 246
bp
Ma = Atypical/atypisches Merle – 247-254
bp
Ma+ = Atypical/atypisches Merle+ – 255-264
bp
M = Classic/klassisches Merle – 265- 268
bp
Mh = Harlekin Merle – 269-280 bp
Unterschiedliche Längen des Poly-A-Schwanzes der SINE-Insertion am M-Locus sind also verantwortlich für unterschiedliche Allele und damit auch für unterschiedliche Effekte bei der Aufhellung und Musterung des Merles. Je mehr Basenpaare vorliegen, umso „massiver“ der Effekt im Phänotyp! Je kürzer der Schwanz, umso weniger optische Effekte werden erzielt.
Was bedeuten die Allele für den Phänotyp?
„m“ Das Wildtyp-Allel macht keinerlei Veränderungen am SILV-Gen. Es kommt zu keiner Störung der Pigmentbildung. Die Hunde zeigen ihre „normale“ Fellfärbung.
Foto: Sheltie, Genotyp m/m
„Mc“ „Mc+“ Cryptic merle zeichnet sich durch einen verkürzten Poly-A-Schwanz der SINE Insertion aus. Es hat keinen Einfluss auf die Pigmentbildung und den Phänotyp. Hunde mit Mc/m oder Mc+/m zeigen rein äußerlich keine Anzeichen für Merle!
Merke: Cryptic Merle verhält sich wie „m“ – es kann mit jedem Allel ohne Risiko kombiniert werden. Cryptic Merle sollte nicht mit „Minimal Merle“ oder „Phantom Merle“ verwechelt werden!
Foto: „Elia vom Hallerhof“, Langhaar Collie aus Deutschland, Foto: Ann-Kathrin Riedel, Genotyp: Mc/m
„Ma“ „Ma+“ atypisches Merle zeigt eine SINE-Insertion mit einem leicht verlängerten Poly-A-Schwanz und führt oft zu einer dezenten Aufhellung der Grundfarbe (nicht zu verwechseln mit dilute und dem Braun vom B-Locus) – in der Regel fehlt ein kontrastreiches Merlemuster, stattdessen sieht die Farbe „verwaschen“ aus. Die Unterwolle – gerade bei Langhaarhunden – erscheint heller. Augen können blau sein. Es wird kein Pigment zu weiß gelöscht.
Es gibt auch Atypical Merles, denen man äußerlich praktisch nichts ansieht.
Foto: „Nuuskakairan Samma Pa Svenska“, Kurzhaarcollie aus Finnland, Genotyp: m/Ma
Thank you to Annina Eskola for the picture!
Klassisches Merle
„M“ – Klassisches Merle zeigt eine aufgehellte Grundfarbe mit einer Mischung aus vollpigmentierten Bereichen. Blaue Augen sind möglich, es wird jedoch kein Pigment vollständig zu weiß aufgehellt.
Foto: Sheltie aus Deutschland, Genotyp: M/m
Harlekin Merle
„Mh“ – Harlekin Merle weist die längste SINE-Insertion auf. Es gibt große Variationen im Phänotyp.
#1 Minimal Merle: Der Großteil des Körpers ist einfarbig pigmentiert und weist nur in Randbereichen ein Merlemuster auf. Bei manchen Hunden kann ein überdurchschnittlich großer Weißanteil beobachtet werden, der sich z.B, in einer sehr breiten weißen Halskrause, weißen Flecken in der Decke und sich über die Ellbogen hinausreichend aufgehellten Bereiche äußert. Obwohl der ungewöhnliche hohe Weißanteil bei manchen Hunden mit S/sp (Piebald-Carrier/Weißfaktor) assoziiert ist, gibt es dennoch einige Hunde, die für den S-Lokus negativ auf Weißfaktor getestet wurden (S/S).
#2 „Herding Harlequin“ zeigt einen Phänotyp mit Merlemuster, mit der Besonderheit, dass die einfarbig pigmentierten Bereiche in der Regel in vielen unterschiedlichen Schattierungen vorkommen und ein regelrechtes Patchworkmuster aus mehreren Fleckenfarben entsteht. Randbereiche können zu weiß aufgehellt sein. Insgesamt kann die unter #1 beschriebene Weißverteilung auch beim Herding Harlequin auftreten.
#3 Einige Hunde sehen insgesamt eher nach m/M (klassisch merle) aus. Sie können aber dennoch Nachzucht bringen, wie bei #1 #2 und #3beschrieben.
Merke: „Herding Harlekin“ oder
„Harlekin Merle“ hat NICHTS mit dem H-Locus bzw. dem Harlekin bei Doggen gemeinsam! Beides wird komplett unabhängig voneinander vererbt. Doggenharlekin wurde bis
dato NUR bei Doggen gefunden!
Mosaizismus – eine Laune der Natur! Wenn man mehr als zwei Allele hat.
Besonders bemerkenswert ist, dass in der Studie gezeigt werden konnte, dass es eine auffallend hohe Rate an Hunden gibt, die nicht nur zwei, sondern sogar drei oder mehr Allele für merle besitzen. Das ist insofern hochspannend, da unter normalen Umständen jedes Individuum logischerweise immer nur eine Genkopie von der Mutter und eine Genkopie vom Vater bekommt – Eizellen und Spermien besitzen jeweils einen halben „Gensatz“ und vereinigen sich dann in der Zygote (also nach der Verschmelzung von Spermium und Eizelle) wieder zu einem doppelten/vollständigen genetischen Bauplan. Die genetische Information des neuen Individuums ist also mit der allerersten fertigen Zelle „festgelegt“ und für alle weiteren Zellen im Teilungsprozess identisch.
Was passiert jetzt bei Mosaizismus? Das Ganze beruht auf einem sehr frühen Mutationsereignis in der embryonalen Entwicklung. Dabei entstehen im fortlaufendem Teilungsprozess durch Mutation/Lesefehler plötzlich 2 genetisch unterschiedliche Tochterzellen, die sich zu weiteren unterschiedlichen Zellkonen teilen. Bildlich gesprochen tanzt sozusagen eine Zelle aus der Reihe und verändert ihr genetisches Material (der Poly-Schwanz der SINE Insertion ist instabil, ein Stück bricht ab und wird damit kürzer), die Zelle teilt sich trotzdem weiter und schafft somit weitere Zellklone, die nun ebenfalls die verkürzte Sequenz des Poly-A-Schwanzes tragen. Aber es haben sich ja nicht alle Zellen verändert, die restlichen Zellen mit der ursprünglich „echten“ Geninformation entwickeln sich ebenfalls weiter zu Zellhaufen. Somit existieren dann 2 genetisch unterschiedliche Tochterzellverbände. Somit kann es passsieren, dass ein Hund 3 Allele für merle trägt – dies nennt man dann Mosaic-Merle.
Mosaic-Merles können im Phänotyp extrem unterschiedlich aussehen. Sie haben oft eine kontrastreiche Musterung mit unterschiedlich stark aufgehellten Bereichen (Tweeds), womit sie häufig besonders
„bunt und fleckig“ (Patchwork-Dogs) aussehen. Sie zeigen oft „Tweeds“, die man z.B. auch bei gewissen Doublemerlekombinationen oder Harlekin-Merles beobachten kann. In der Studie konnte man bei 16,6% (30 von 181 Hunden) der getesteten Hunde Mosaizismus
nachweisen! 4 Hunde zeigten sogar MEHR als 3 Allele für Merle.
Dank der modernen Technik, ist es dem Labor möglich die Allele in Minor-Allel und Major-Allel zu differenzieren. Wie der Name schon sagt, ist das „Minor-Allel“ das schwächere und das „Major-Allel“ das stärkere. Das Minor-Allel wird in [minor] geschrieben. Die Studie zeigte, dass davon jedoch unabhängig Mosaic-Merles in ihren Keimzellen alle drei Allele weiterverben können. Dies ist züchterisch von nicht ganz unerheblicher Relevanz!
Hunde mit Mosaizismus und mehreren Merle-Allelen sind KEINE DOUBLEMERLES. Sie tragen kein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Defekte, denn die unterschiedlichen Allele sind niemals alle zusammen in einer Zelle organisiert, sondern jede Zelle ist unterschiedlich heterozygot kombiniert.
Gefährdungspotenzial von Merle-Allelen und ihre Dopplung
Mit dem neuen Wissen um die unterschiedlichen Merle-Allele und ihr unterschiedlich großes Potential auf die Pigmentbildung, sollte auch eins schnell klar werden: wie groß das gesundheitliche Risiko für eine Fehlbildung bei einer sogenannten „Doublemerleverpaarung“ ist, hängt höchstwahrscheinlich auch von der Gesamtlänge der SINE-Insertionen ab und ihren Einfluss auf das SILV-Gen.
Somit gibt es z.B. bei heterozygoten Harlekin-Merles (dem längsten Merle Allel!) einen geringen Anteil von Hunden, die z.B. durch einseitige Taubheit aufgefallen sind. Dies ist evtl. eine plausible Erklärung für den geringen Prozentsatz an heterozygoten Merlehunden mit Schädigungen. Das bedeutet nicht, dass JEDER Harlekinmerle Fehlbildungen aufweist, sondern lediglich, dass bei sehr langen SINE-Insertionen ein kleines Risiko dafür besteht, während es bei kurzen Insertionen praktisch ausgeschlossen ist!
Ein besonderen Stellenwert nimmt hier das Cryptic Merle ein! Cryptic Merle (Mc/m, Mc+/m, Mc/Mc, Mc+/Mc+, Mc+/Mc) verhält sich phänotypisch wie „m“ – also kein merle. Seine SINE-Insertion ist schlichtweg zu kurz, um einen Effekt auszulösen. Diesen Hunden kann man das merle allein durch äußere Betrachtung also nicht ansehen. Das bedeutet, dass Cryptic Merle mit jedem anderem Allel verpaart werden kann! Auch mit anderen Merle-Allelen – es besteht kein erhöhtes Risiko für Defekte, obwohl dadurch genotypisch „Doublemerles“ entstehen.
Interessant in diesem Zusammehang ist, dass vermutlich sehr viel mehr Hunde genotypisch Cryptic Merles sind, ohne dass wir es wissen! Daraus lässt sich schließen, dass vermutlich sogar einige Hunde „Doublemerles“ sind, von denen wir annehmen, dass sie heterozygot für Merle sind.
Etwas kniffliger wird es mit Ma und Ma+ – atypisches Merle bewegt sich im bp Bereich von 247-264bp und ist damit länger als Mc und Mc+ und etwas kürzer als M (klassisches Merle). Man geht davon aus, dass Kombinationen aus Ma/Maund Ma/Ma+ unbedenklich sind, während für Ma+/Ma+ und Ma/M ein zwar kleines, aber immerhin potentielles Risiko für gesundheitliche Defekte besteht.
Nach wie vor sollte man alle restlichen Allele NICHT miteinander kombinieren – das bedeutet, dass Zuchtstrategien vermieden
werden sollten, in denen folgende Genotypen fallen könnten: Mh/Mh, Mh/M, Mh/Ma+, Mh/Ma, M/M oder M/Ma+. Es besteht ein stark erhöhtes Risiko für schwerwiegende Fehlbildungen der Sinnesorgane!
Mc/M || „Doublemerle“ – unbedenklich in diesem Fall, da
„Mc“ sich wie „m“ verhält, ohne Gentest mit Bestimmung der Allele und bp-Länge bei Vemodia, würde dieser Hund nach altem Kenntnisstand als normaler „heterozygoter Merle“ bezeichnet
werden. „Ella vom Hallerhof“, Foto Ann-Kathrin Riedel
In der englischen Literatur werden „Patchworkhunde“ beschrieben, die sogenannte „Tweed Patches“ aufweisen. Damit sind Merlehunde gemeint, die durch ein besonders „fleckiges“ Aussehen auffallen. Neben der normalen typischen Aufhellung und den normal voll pigmentierten Bereichen, finden sich in ihrem Merlemuster auch immer wieder einfarbige, teilweise sehr große Flecken/Tweeds in unterschiedlichen Schattierungen. Sie können z.B. in verschiedenen Grau- und Brauntönen vorkommen (natürlich auch abhängig von der Grundfarbe des Hundes.)
Bis jetzt werden drei Möglichkeiten beschrieben, die zu diesem Merlemuster führen:
1) Harlekin-Merle – Das längste Merle-Allel Mh269-280bp zeigt ein recht großes und variables phänotypisches Muster. Viele Harlekin-Merles (zb. Mh/m) weisen Tweed Patches auf!
2) Mosaic-Merle – Mosaic-Merles (z.B. M/[Mc]/m) tragen durch eine frühe embryonale Mutation in einem Teil der Tochterzellen mehr als zwei Allele für Merle und können die typischen Tweed Patches zeigen. Genaueres zum Mosazismus könnt ihr etwas weiter oben im Artikel lesen.
3) Doublemerle – Wenn ein Hund mehr als 1 dominantes Merle-Allel trägt, kann er phänotypisch Tweed Patches zeigen. Dies ist möglich bei Hunden mit z.B. einem Genotyp von „Mc/M“ – und vielen weiteren!
„Dilute Spots“
Ein großes Problem in dieser ganzen „Farblehre“ ist – dass es für viele Phänomene (noch) keine fest definierten Begriffe gibt und es dadurch im umgangssprachlichen Gebrauch mit einigen Beschreibungen schon mal schnell zu verwirrten Gesichtern kommen kann.
So ist z.B. „dilute“ ein Begriff, den man für Aufhellung benutzt, der bei schwarzen Pigment zu blauer Farbe führt. Dilute liegt auf dem D-Locus und ist rezessiv. Wenn ein Hund also d/d ist werden ALLE schwarzen Pigmente zu blau aufgehellt – ausnahmslos. So ein Hund kann niemals irgendwo schwarz sein. Bei Merlehunden kann es allerdings zu „dilute spots“ kommen, die neben ganz normal schwarz pigmentierten Flecken auftreten (siehe auch Tweeds und Patchworkhunde). Diese „dilute spots“ haben NICHTS mit dem D-Locus zutun, sondern sind ein Phänomen der Merlemusterung. Vereinzelte dilute spots sind auch bei klassischem Merle möglich.
So dachten wir z.B. ursrprünglich, dass unser Sheltie Jou – die einen vereinzelten dilute spot auf ihrer rechten Körperhälfte hat – m/Mh oder ein ggf. Mosaic sein könnte – dies hat sich aber dank der Testresultate von Vemodia nicht bestätigt. Sie ist m/M.
Take Home | Fazit
1) Die
Merle-Vererbung ist deutlich komplexer, als noch vor wenigen Jahren angenommen. Statt einfach nur „m“ und „M“ gibt es zahlreiche Merle-Allele (Mc, Mc+, Ma, Ma+, M, Mh)!
2) Die Merle-Allele unterscheiden sich in der Länge ihrer SINE-Insertionen. Je länger die SINE-Insertion, umso bedeutender ihre Effekte
3) Nicht jedes dominante Merle-Allel hat eine phänotypische Ausprägung (Mc z.B. nie, Ma, Ma+kann phänotypisch ebenfalls normal aussehen oder es kann leicht übersehen werden).
4) Doublemerle ist nicht gleich Doublemerle! Doublemerles sind nicht grundsätzlichprädisponiert für gesundheitlich Defekte, es kommt auf die Länge der vorhandenen SINE-Insertionen an!
5) Mosaizismus ist ein regelmäßig vorkommendes Phänomen, bei dem es durch frühe embryonale Mutationsereignisse zu einer Vielzahl von Allelen in unterschiedlichen Zellen kommen kann. Mosaizismus ist kein Doublemerle.
6) Vermutlich existieren viel mehr Hunde mit Cryptic Merle und Atypical Merle, bei denen wir davon ausgegangen sind, dass sie non merle sind (da man ihnen im Phänotyp kein Merle ansieht). Hunde, die solid erscheinen, können Ma sein und Hunde mit Double-Merle Defekten produzieren!
7) Harlekin Merle (Mh) hat viele unterschiedliche Effekte, die im Phänotyp einerseits mit extrem viel weiß (ohne Assoziation mit Weißfaktor!) einhergehen können, andererseits aber auch mit einer minimalen Ausprägung von Merle (Minimal Merle) auftreten. Fraglich ist, ob Mh evtl. auch Einfluss auf Phäomelanin haben kann. Von allen heterozygoten Merle-Allelen hat Mh das größte Potential für gesundheitliche Defekte.
Vielen lieben Dank TA Jana Westerveld für die Ausführungen